Keine Panik

Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen des Coronavirus

Wir erleben eine noch nie dagewesene Pandemie. Geschäfte müssen schliessen, ganze Branchen haben derzeit gar keinen Umsatz und geraten in Schwierigkeiten. Aber: Keine Panik ! 

Grundsätzlich sind Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG verpflichtet, innerhalb von 3 Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn ihr Unternehmen insolvent, also zahlungsunfähig oder überschuldet, ist (§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO). Kommen die Geschäftsleiter ihrer Insolvenzantragspflicht nicht nach, können sie persönlichen Haftungsrisken ausgesetzt sein und sich sogar strafbar machen.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereitet eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor. Ziel der Regelung soll sein, Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Voraussetzung ist

  1. Der Insolvenzgrund beruht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie und
  2. Es bestehen aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung.

Die Regelung soll zunächst bis zum 30. September 2020 gelten. Das Bundesministerium für Justiz soll aber ermächtigt werden, die Aussetzung höchstens bis zum 31. März 2021 verlängern zu können. Geschäftsleiter müssen jetzt zum einen klar dokumentieren, dass beide oben genannten Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift eingehalten sind. Im Zweifel sollten sie Rechtsrat einholen, um verbleibende Risiken zu minimieren und die Vorgaben richtig umzusetzen.

Fazit: Was der Gesetzgeber tun kann hat er in Windeseile durchgesetzt. Den Unternehmen verbleibt dadurch Zeit, die Zahlungsverpflichtungen bleiben aber weiterhin bestehen.

Die zentrale Vorschrift in Artikel 1 § 1 des CorInsAG lautet: Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Absatz 2 BGB ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020ist demnach der Regelfall. Sie greift nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen derCovid-19-Pandemie beruht oder generell keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Dabei wird eine Vermutungsregel aufgestellt, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht und Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn diese nach dem 31. Dezember 2019 eingetreten ist.

Von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung umfasst. Die Ausnahme sowie die Vermutung knüpfen allerdings nur an die Zahlungsunfähigkeit an. Diese ist als Anknüpfungspunkt auch besser geeignet, da sie im Vergleich zur insolvenzrechtlichen Überschuldung relativ leicht (auch rückblickend) dargelegt werden kann.

In manchen Fällen wird nicht eindeutig sein, ob eine Insolvenzreife auf der Covid-19-Pandemie beruht. Der Gesetzesentwurf umfasst direkte und indirekte Folgen. Ergibt sich nicht auf den ersten Blick, dass etwa ein Umsatzrückgang, Zahlungsausfall oder Auftragsabbruch Folge der Pandemie ist (und etwa auch allgemein oder branchenbedingt sein könnte, vgl. Automotive), sollte dies dokumentiert und gegebenenfalls Feedback eingeholt werden („Warum hat der Kunde den Auftrag nicht erteilt? Warum hat der Kunde die Forderung nicht beglichen?″). Hier hilft jedoch im Fall einer späteren Auseinandersetzung die Vermutungsregelung weiter.

Auch Insolvenzanträge von Gläubigern werden durch die Änderungen eingeschränkt. Für Gläubigeranträge, die innerhalb von drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes (voraussichtlich 24. März 2020) gestellt wird vorausgesetzt, dass der Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.

Die Zahlungsverbote, nach denen Geschäftsführer für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife persönlich haften, sind nicht grundsätzlich suspendiert. Liegen jedoch die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, werden auch die Zahlungsverbote gelockert. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, gelten dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar und lösen keine Haftung aus.

Liegen die Voraussetzungen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vor, wird auch das Risiko einer künftigen Insolvenzanfechtung weitgehend ausgeschlossen. Die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite gelten als nicht gläubigerbenachteiligend und können nicht angefochten werden. Kreditgewährung und Besicherung sind dann nicht als sittenwidrig anzusehen.

Kongruente Rechtshandlungen sind dann in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar; es sei denn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Umfasst sind auch Leistungen an Erfüllung statt oder erfüllungshalber, Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners, die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist sowie die Verkürzung von Zahlungszielen und die Gewährung von Zahlungserleichterungen.

Selbst die Rückführung von Gesellschafterdarlehen genießt Schutz vor späterer Anfechtung. § 39 Absatz 1 Nummer 5 und § 44a InsO finden insoweit in Insolvenzverfahren, die bis zum 30. September 2023 beantragt wurden, keine Anwendung.

In Artikel 240 EGBGB wird ein Moratorium für Schuldner geschaffen. Dieser erhält ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn seine Leistung durch Umstände der Covid-19-Pandemie nicht erbracht werden kann oder die Leistungserbringung für ihn unzumutbar wäre.

Von der Regelung nicht umfasst sind Arbeitsverträge, Pauschalreiseverträge, Mietverträge, Darlehensverträge und Luft-/ Eisenbahnbeförderungsverträge. Hier erhält der Schuldner stattdessen ein Sonderkündigungsrecht.

Sonderkündigungsrecht und Leistungsverweigerungsrecht greifen allerdings nicht, wenn dies für den Gläubiger unzumutbar wäre. Es ist anzunehmen, dass es in der Folge vielfach zu Interessengegensätzen kommt, die gerichtlich ausgetragen werden. Gerichte werden zur Frage der Zumutbarkeit dann stets die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls betrachten müssen.

Mietverhältnisse über Grundstücke oder über Räume können durch Vermieter nicht mehr gekündigt werden, soweit der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. September 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet und die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung wird vermutet. Schuldner haben also die Möglichkeit, bei Umsatzausfällen auch die durch Miete entstehenden Fixkosten faktisch anzupassen. Die Forderungen entstehen trotzdem und sollten in die zwischen dem Schuldner und seinen Stakeholdern zu führenden Sanierungsverhandlungen einbezogen werden. Klar ist, dass eine Sanierung auf Kosten der Vermieter nicht gewollt sein kann.

Für Darlehensverträge, die vor dem 8. März 2020 abgeschlossen wurden, gilt, dass Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. September 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von sechs Monaten gestundet werden, wenn der Darlehensnehmer infolge der Covid-19-Pandemie Einnahmeausfälle hat, die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Auch hier greift eine Vermutungsregelung.

Kündigungen des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers sind bis 30. September 2020 ausgeschlossen. Der Darlehensgeber soll dem Darlehensnehmer ein Gespräch über die Möglichkeit einer einverständlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen anbieten. Kommt eine einverständliche Regelung für den Zeitraum nach dem 30. September 2020 nicht zustande, verlängert sich die Vertragslaufzeit um sechs Monate; die jeweilige Fälligkeit der vertraglichen Leistungen wird um diese Frist hinausgeschoben. Dies soll nicht gelten, wenn es im Einzelfall für Darlehensgeber unzumutbar wäre.

Die Änderungen im Insolvenzrecht treten mit (Rück-)Wirkung vom 1. März 2020 in Kraft und am 1. April 2021 außer Kraft. Die Änderungen im Gesellschaftsrecht treten am Tag nach der Verkündung in Kraft und treten mit Ablauf des 31. Dezember 2021 außer Kraft. Die Änderungen im Zivilrecht treten am 1. April 2020 in Kraft. Artikel 240 EGBGB tritt am 30. September 2022 außer Kraft.